Schon lange träumt die Menschheit von Haushaltsrobotern. Bald könnte es so weit sein: dank KI und Emanzipation.
Illustration Simon Tanner / NZZ
Laundroid und Foldimate sind zwei ungleiche Brüder. Der eine sieht aus wie ein eleganter Kühlschrank, der andere gleich einem Drucker mit Greifarmen aus Plastik. Sterne waren sie einst beide.
Auf Elektronikmessen weltweit stehen sie im Rampenlicht und begeistern die Medien. «Schluss mit dem lästigen Wäschefalten», titelte beispielsweise die NZZ 2018. Denn das war das Versprechen: ein Roboter, der aus einem Haufen trockener Wäsche elegante Stapel macht.
Zehn Jahre Tüftelei und eine Menge Investorengeld stecken in den Robotern. Die Prototypen funktionierten, es liefen Vorbestellungen.
16.000 Dollar sollte der Laundroid kosten, 1.500 der Foldimate. Doch nur drei Jahre nach dem begeisterten Titel der NZZ waren beide Hersteller pleite.
Der Laundroid bei einer Messe im Jahr 2017.
The Japan Times/Youtube
„Der Haushalt ist schwierig. Roboter sind schwierig. Du kannst das nicht verbinden und dir Erfolg erwarten.»
Diesen Satz erhält der Forscher Mahi Shafiullah immer wieder von seinem Kollegen in der Robotik, wenn er erzählt, dass er einen Roboter für den Haushalt herstellt. Denn was ein Roboter perfekt kann, ist, eine einzige Bewegung 10.000 Mal auszuführen, jedes Mal gleich. Doch Hausarbeit ist anders: Jede Socke ist auf ihre Art zusammengeknüllt.
Der Forscher Mahi Shafiullah.
Alexa Gross
Hausarbeit erfordert Fähigkeiten, die wir als Menschen für selbstverständlich halten, die für Maschinen aber schwierig sind: Flexibilität und Planung.
So klagen Robotiker in einem Fachaufsatz, dass Wäschefalten aufgrund des «komplexen Gestaltungsraums und der hochgradig nichtlinearen Dynamik deformierbarer Gegenstände weitgehend von Menschen ausgeführt» werde. Es ist ein „sequenzielles Planungsproblem mit langem Horizont“ und mehreren „Schritten und Zwischenzielen“.
Roboter müssen praktisch und bezahlbar sein
Shafiullah lässt sich vor allem nicht abschrecken, im Gegenteil. Er ist in Bangladesch aufgewachsen und mit einem Stipendium an das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA gekommen. Dort studiert er zunächst Mathematik, interessiert sich dann aber immer mehr für das Lösen praktischer Probleme. Heute ist man schuld an jeder Mutter, wenn man eine Schuld beurteilt: „Würden Sie den Schuldner kaufen? Dazu muss er praktisch sein und bezahlbar.»
Das sind wohl auch die Punkte, bei denen Laundromat und Foldimate durchgefallen wären. Das war sehr teuer. Der andere Grund ist, dass man jedes T-Shirt einzeln anhängt. Man muss schon sehr viel Wäsche falten, damit das ein Gewinn ist. Vor allem, wenn die Maschine doch immer wieder Fehler macht.
Den Foldimate musste man mit Wäschestücken einzeln «füttern».
Foldimate/Youtube
Shafiullah und seine Kollegen an der New York University versuchen, sich nicht mit Wäschefalten zu überrumpeln. Sie entwickeln noch nicht einmal ein eigenes Gerät. Insbesondere möchten Sie zeigen, dass schon einfache Roboter dank neusten Algorithmen im Haushalt helfen können.
Konkret nahm Mahi Shafiullah eine Müllgreifzange zu sich nach Hause und befestigte ein iPhone daran, das filmte, während er mit der Zange Kästen öffnete, Socken aufhob, ein Rolllädenschloss oder Bücher ins Regal stellte. Seine Kollegen und ein paar Freunde und Bekannte tun dasselbe. So sammeln sie 13 Stunden Videomaterial von Aktivitäten in 22 verschiedenen New Yorker Wohnungen.
Schlaue KI, rückeliger Roboter
Dank KI können Computer heute schon viel bessere Fähigkeiten erkennen und bereits vor wenigen Jahren lernen, Bewegungen nachzuahmen. Genau das tut der einfache Roboter der Forscher: Er ist ein Greifarm auf Rädern, der sich steif bewegen und zugreifen kann und mit einer kleinen Kamera ausgestattet ist. Die Forscher weisen darauf hin, dass er fähig ist, die Aktionen aus den Videos nachzuvollziehen.
Wie das dann in der Praxis aussieht, ist für Laien allerdings ziemlich ernüchternd.
Der rudimentäre Roboter der New Yorker Forscher räumt ein Stück Wäsche in die Waschmaschine.
Der Roboter ist langsam, ruckelt. Zudem scheitert er im Schnitt bei jeder fünften Aufgabe. Trotzdem ist Shafiullah zufrieden. Das Projekt zeigt, was dank smarten Algorithmen schon mit einem rudimentären Roboter möglich ist. Auf diese Forschung könnten Leute aufbauen, die präzisere Geräte erfinden wollten.
Er hofft, Forschergeist und Investitionen in diesen Sektor zu locken, denn: „Ich sehe nicht ein, dass wir KI entwickeln, die uns kreative Arbeit abnimmt, die wir gerne tun, wir aber noch selbst kochen und putzen müssen.“
Das japanische Geschirrspüler-Paradox
Shafiullah ist nicht allein mit seinem Optimismus, was Haushaltsroboter betrifft. Eine 2020 und 2021 durchgeführte Umfrage unter KI-Experten in Großbritannien und Japan ergab die Schätzung, dass die für den Haushalt nötige Zeit in den nächsten zehn Jahren dank Automatisierung um 44 Prozent sinken wird. Die Umfrage wird an jene Methoden angelehnt, die herangezogen werden, um Prognosen dazu zu machen, welche Jobs wegautomatisiert werden und welche bleiben.
Ekaterina Hertog
PD
Typisch für solche Studien ist, dass die Expertenmeinungen schwanken. Ekaterina Hertog ist Professorin für KI und Gesellschaft an der Universität Oxford und eine der Autorinnen der Studie zum Haushalt. Sie sagt: „Die Lebenswirklichkeit der Experten beeinflusst deren Ideen zu Technologie und deren Erwartungen zu zukünftigen Entwicklungen.“
Ihr Team weist darauf hin, dass männliche Experten aus Japan vergleichsweise wenig Potenzial bei der Automatisierung von Hausarbeit haben. „In Japan entwickeln Männer Technologie, aber die Hausarbeit liegt fast ausschließlich bei den Frauen, die im Schnitt um einiges weniger verdienen als die Männer.“
«Technische Veränderungen malen sich Menschen oft mit mehr Kreativität aus als gesellschaftliche»
Hertog vermutet, dass die Männer in einer Gesellschaft weniger Bedarf an Automatisierung von Hausarbeit sehen, denn es kümmern sich ja Frauen um die Arbeit. In Japan hat auch nur etwa jeder vierte Haushalt eine Geschirrspülmaschine, in der Schweiz und Deutschland sind es drei von vier.
Hertog sagt: „Technische Veränderungen sind für Menschen manchmal leichter vorstellbar als gesellschaftlicher Wandel.“ Nach unserem Gespräch schickt sie als Beleg dafür ein Beispiel: Das Werbevideo eines japanischen Konzerns zeigt eine Familie in einer imaginierten Hightech-Stadt der Zukunft. Das Leben ist nur eine Frage der Einstellung.
Dass Frauen immer mehr am Arbeitsmarkt teilnehmen, könnte zu einer höheren Nachfrage nach Haushaltsrobotern führen. Oder umgekehrt: Weniger Arbeit zu Hause ermöglicht Frauen die Teilnahme am Arbeitsmarkt. Zumindest mit der Erfindung der Waschmaschine verstärken sich Innovation und Emanzipation so gegenseitig.
Und es gibt noch mehr namhafte Argumente für Haushaltsroboter: Es fehlen Fachkräfte, wodurch auch Putzpersonal teurer wird. Dazu kommt eine alternde Gesellschaft.
Gesunde Menschen oft den Sinn von Hilfsrobotern
Mahi Shafiullah fällt auf, dass junge, gesunde Ingenieure oft beweisen, welche Potenziale es hier gibt. „Es ist für einen Roboter ziemlich schwer, mit einem 25-Jährigen mitzuhalten, der 90 Kilo heben kann. Deshalb bemühen sich solche Leute oft um deren Sinn. Doch es geht ja nicht um sie.» Wenn man Dinge nicht mehr selbst erledigen kann, ist auch ein Roboter nützlich, der sie schlechter machen kann als ein gesunder Mensch.
Ein Beispiel ist der Roboter der Marke Labrador: eine Art Kommode, die im Haus entlang definierter Routen herumfährt und Tabletts hin- und herliefern kann. Sie umfährt Hindernisse und lässt sich per Stimme steuern: für gesunde Menschen sinnlos, für jemanden mit Einschränkungen potenziell eine enorme Erleichterung.
Werbevideo für den Labrador-Retriever-Roboter.
Labrador Systems / Youtube
Dasselbe gilt auch für eine etwas schwerfällige Aufräummaschine, findet Shafiullah.
Foldimate und Laundroid sind gescheitert. Und humanoide Haushaltsroboter, die schneller und günstiger putzen als ein gesünderer Mensch, sind weit davon entfernt, Realität zu werden. Doch es gibt eine ganze Reihe von Faktoren dafür, dass die Nachfrage nach technischer Hilfe im Haushalt steigen wird. Andererseits sorgt KI dafür, dass Geräte immer smarter werden. Staubsaugroboter sind bereits heute der am weitesten verbreitete Robotertyp der Welt, und bald könnte die Gesellschaft von anderen teilautonomen Putzgeräten bekommen.
Dazu kommt: Automatisierung muss nicht unbedingt ein neues Haushaltsgerät bedeuten. Anstatt sich einen Waschsalon oder ein Foldimate in der Wohnung zu stellen, könnte auch ein Lieferservice schmutzige Wäsche abholen und sauber wiederbringen, sagt Ekaterina Hertog. In ihrem Umfrageergebnis von 44 Prozent weniger Zeitaufwand für den Haushalt könnten auch solche einfachen, aber höchst wirksamen Ideen stecken.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»