Der Telegram-CEO Pawel Durow beugt sich den Forderungen der französischen Behörden – zumindest angeblich
Telegram wurde bisher unter anderem verwendet, um Drogen zu handeln, Terrorpropaganda zu verbreiten und Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch zu teilen. Nun kündigt Pawel Durow an, stärker in die Inhalte auf der Plattform einzugreifen.
Pawel Durow, Gründer und CEO von Telegram, versprach am Freitagabend über seinen persönlichen Telegram-Kanal, gewisse Funktionen auf der Plattform einzustellen. Unter anderem soll der Modus „Leute in der Nähe“ eingestellt werden.
Bisher war der Modus beliebt bei Kriminellen. Wer sich beispielsweise am Hauptbahnhof Zürich aufhielt und die Funktion einschaltete, fand innerhalb weniger Sekunden mehrere Händler von Drogen: Heroin, Koks, Crystal Meth – alles in Gehdistanz. Auch gefälschte Identitätskarten und Fahrzeugausweise wurden über den Kanal zum Kauf angeboten.
Als Begründung für die Abschaffung der Funktion schrieb Durow, sie sei von weniger als 0,1 Prozent der Nutzer verwendet worden, habe aber Probleme mit „Bots und Betrügern“ gehabt.
Als Alternative stellte Durow eine neue Funktion namens „Geschäfte in der Nähe“ in Aussicht. Darüber sollen „legitime, verifizierte Firmen“ ihre Güter zum Verkauf anbieten.
Durow stellt Moderation von Inhalten in Aussicht
Weiter stellt Durow ein stärkeres inhaltliches Eingreifen in Aussicht. Man wolle die Moderation von Inhalten, auch etwas, wofür die Plattform bisher kritisiert wurde, in eine Stärke umbauen, schrieb Durow.
„Während 99,999 Prozent der Telegram-Nutzer nichts zu tun haben mit Kriminalität, erstellen die 0,001 Prozent, die in illegale Aktivitäten involviert sind, ein schlechtes Image für die ganze Plattform“, schrieb Durow. Das gefährde das Interesse von Millionen von Nutzern.
Unmittelbar nach der Ankündigung am Freitagabend blieb die Funktion „Leute in der Nähe“ allerdings unverändert online. Berichte von Schliessungen von grossen Kanälen und Gruppen, in denen illegale Inhalte geteilt wurden, gab es ebenfalls noch nicht.
Durow beugt sich den Forderungen der französischen Behörden
Die Änderungen auf der Plattform, sofern sie wirklich umgesetzt werden sollten, würden eine Abkehr von der bisherigen Kultur bei Telegram bedeuten. Bisher stellte sich Durow auf den Standpunkt, man wolle nicht in die Inhalte auf der Plattform eingreifen. Er tat dies sowohl aus politischen Gründen, nämlich um Regimegegnern in autoritär regierten Ländern eine Möglichkeit zur Kommunikation zu bieten, wie auch aus wirtschaftlichen Gründen: Wer Inhalte überwacht und moderiert, muss mit hohen Kosten rechnen.
Die Ankündigung kommt zwölf Tage nach der Festnahme von Durow in Frankreich. Durow scheint sich damit den Forderungen der französischen Behörden zu widersetzen. Im Moment ist er gegen Auflagen auf freiem Fuss und darf Frankreich nicht verlassen.
Durow wehrt sich gegen die Vorwürfe der Behörden
In mehreren Punkten wies Durow die Vorwürfe der französischen Behörden zurück. Unter anderem widersprach er der Darstellung, dass Telegram nicht auf Anfragen offizieller Stellen antworte. Er habe eigentlich selbst auch schon Hilfe geleistet.
Nach seiner Darstellung gab es keinen Grund, ihn wegen angeblich fehlender Kooperation mit den Behörden festzunehmen, weil er in seinem Wahlheimat Dubai oberster Gast im französischen Konsulat sei. „Als ich vor einiger Zeit darum gebeten wurde, habe ich ihnen persönlich geholfen, eine Hotline mit Telegram einzurichten, um der Terrorgefahr in Frankreich zu begegnen“, sagte er.
Die Ermittler in Paris werfen Durow vor, unzureichend mit Behörden zu kooperieren, insbesondere bei Ermittlungen gegen Kriminelle und bei gesetzlich zulässigen Abhörmassnahmen. Laut den französischen Behörden hat sich Durow durch das fehlende Eingreifen bei Telegram und mangelnde Zusammenarbeit mit Behörden des Drogenhandels, der Geldwäsche, des Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht.
Durow wird Nutzer in autoritären Staaten weiterhin schützen
Durow wies seinerseits die Vorwürfe zurück, dass Telegram ein Paradies für Anarchisten sei. «Wir entfernen jeden Tag Millionen von schädlichen Beiträgen und Kanälen. „Wir veröffentlichen täglich Transparenzberichte“, schrieb Durow.
Zudem sei es ein schwieriger Balanceakt, einerseits global zu betreiben, andererseits aber jedem Land recht zu machen. Telegram sei offen für Dialog, aber das Prinzip sei, Nutzer in autoritären Staaten zu schützen.
Bisweilen gebe es keine Einigung zwischen dem Anspruch, die Privatsphäre zu schützen, und jenem, die Behörden bei der Kriminalitätsbekämpfung zu unterstützen. „In diesen Fällen sind wir bereit, das Land zu verlassen.“ „Das haben wir schon viele Männer getan“, schreibt Durow. Unter anderem habe sich Telegram in der Vergangenheit geweigert, russischen und iranischen Behörden die Verschlüsselungscodes für eine Überwachung von Nutzern zu übergeben.