Ex-CEO von Wework: Adam Neumann versuchte das Comeback im Silicon Valley
Nach dem Wework-Debakel versuchte sich der frühere CEO Adam Neumann erneut an einem Startup, wieder im Immobiliensektor. Bei einem Auftritt in San Francisco wird klar: Er hat nichts aus seinen Fehlern gelernt.
Selbstkritik ist nicht sein Ding: „Wir als Menschen neigen dazu, zu viel Gewicht auf die Vergangenheit zu legen“, sagt Adam Neumann.
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Adam Neumann gibt sich überraschend selbstbewusst für jemanden, der Milliarden von Dollar in den Sand gesetzt hat. Mit breitem Grinsen tritt der 45-Jährige auf die Bühne einer Technologiekonferenz in San Francisco: Designeranzug, lange Haare, hohe Wangenknochen – der Moderator meint, Neumann erinnerte sich an ihn an den Hollywood-Beau Jared Leto.
Neumanns Aussehen, sein Charisma, sein Charme spielen eine wesentliche Rolle darin, dass seine 2010 gegründete Firma Wework einst das erfolgreichste Startup der USA war. Wework vermietete in erster Linie Büroräume, doch Neumann vermarktete es als ein Technologie-Startup und «eine Bewegung», die revolutionieren werde, wie wir arbeiten und leben würden.
Topinvestoren von JP Morgan über Goldman Sachs bis Softbank erzählen Neumanns blühende Versprechungen.
Doch statt der von Neumann versprochenen Milliardengewinne schrieb Wework jedes Jahr Milliardenverluste. Erst kurz vor dem Börsengang 2019, als das Startup seine Bücher öffnen musste, entpuppte sich Wework als einer der größten Bluffs in der Geschichte des Silicon Valley. Der Börsengang platzte, Neumann wurde entlassen, und Wework ist seitdem am Boden. Einst mit 47 Milliarden Dollar bewertet, steckt die Firma heute im Insolvenzverfahren.
Luftige Worte, ein ehrgeiziges Ziel, ein Preis für ein Weltverbesserertum
Nun ist Neumann zurück. Doch wer einen geläuterten CEO erwartet hätte, der irrt. In luftigen Worten beschreibt der heute 45-Jährige auf der Bühne in San Francisco seine neue Firma Flow – eine «auf Erlebnisse fokussierte Wohnimmobilienfirma», bei der sich die Mieter mit einer App verbinden und gemeinsam meditieren und Sport treiben können. Flows „Mission“ sei es, letztlich dafür zu sorgen, dass sich Amerikaner weniger einsam fühlen. Erste Immobilien gibt es bereits in Florida, für eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Miami zahlt man beispielsweise rund 3000 Dollar.
Luftige Worte, ein ambitioniertes Ziel, dazu ein Preis Weltverbesserertum – Neumann weiß genau, wie man sich im Technologie-Mekka verkaufen muss. Natürlich hat er eine persönliche Anekdote um die Gründungsgeschichte parat. Natürlich hat er Statistiken zum Marktpotenzial seines Startups: 70 Prozent der Amerikaner unter 34 Jahren gäben ein Drittel ihres Einkommens für die Miete aus. Neumann stellt das als Problem dar – tatsächlich entspricht es genau dem Anteil, den Finanzexperten empfehlen. Und natürlich wartet man vergeblich auf ein kritisches Wort zur Vergangenheit.
Hört man Neumann auf der Bühne reden und wüsste man nichts über das Wework-Debakel, das man schnell von dem sympathischen, ehrgeizigen Jungunternehmer geblendet hätte.
Sympathisch, aber ein Blender: Adam Neumann lanciert seine neue Firma Flow in Fort Lauderdale, Florida.
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Neumann schuf mit Wework eine beeindruckende globale Marke, aber er führte die Firma miserabel und verschwenderisch: Er ließ sich einen Firmenjet kaufen, investierte über Wework in abstruse Nebengeschäfte wie eine Vorschule und solche rund um sein persönliches Hobby Surfen, und er war für exzessive Partys bekannt . Auch war er offenbar mehr an seinem persönlichen Reichtum interessiert als am Erfolg von Wework: Er selbst sicherte sich die Rechte an der Marke «We» und verkaufte sie an Wework für Millionen von Dollar.
Vergeblich versuchte Neumann, Wework zu kaufen
Wer sich an die Beschreibung des Flows-Geschäftsmodells an Wework erinnert, fühlt sich nicht irrt. Vermietete Wework-Büroräume, in denen sich Angestellte zu Hause wohlfühlen sollten, vermietet Flow nun Wohnungen, die sich für die Heimarbeit eignen. Eine eigene App, Events, alles mit dem Ziel einer Gemeinschaft – die Parallelen sind offensichtlich. Neumann gab jüngst zu, dass Flow mit Wework entweder «zusammenarbeiten oder konkurrieren» werde.
Dafür muss man wissen, dass Neumann parallel zur Gründung von Flow vergeblich versucht hatte, Wework zu kaufen; Die Firma befindet sich seit November im Insolvenzverfahren mit Schulden von mehr als 4 Milliarden Dollar. Ein Richter lehnte Neumanns Gebot jüngst jedoch ab.
Dass Neumann für ein solches Angebot überhaupt das Geld hatte – er bot 650 Millionen Dollar –, ist einer der besonders bizarren Aspekte des Wework-Debakels. Der Aufsichtsrat hatte Neumann nicht nur jahrelang zu wenig auf die Finger geschaut, sondern ihm 2019 auch ein üppiges Abfindungspaket von rund einer Milliarde Dollar gezahlt, damit er möglichst schnell weggehe.
Jeff Bezos gab ihm einen Ratschlag
Bemerkenswert ist nun, dass jemand mit Neumanns Vergangenheit im Silicon Valley trotzdem wieder Investoren gefunden hat. Die renommierte Wagniskapitalfirma az16 hat 350 Millionen Dollar in Flow investiert. Allerdings scheint Neumann diesmal an einer kürzeren Leine zu sein: Die beiden Gründer von az16, Marc Andreessen und Ben Horowitz, sässen im Aufsichtsrat von Flow und seien durchaus kritisch, sagt Neumann, «in einer Art und Weise, die ich gar nicht gewohnt bin. Der Aufsichtsrat von Wework hat immer nur Ja gesagt.» Was Neumann nicht sagt, ist, dass er selbst Sitzungen des Aufsichtsrats ferngeblieben war und die Öffentlichkeit zum Geschäftsgang belogen hatte.
Das Wichtigste ist, dass in seiner Darstellung der Vergangenheit vor allem andere Schuld besteht: Der Aufsichtsrat hat sich zu wenig eingemischt. Die Investoren hätten ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt. Vergeblich wartet man auf selbstkritische Worte. Wieso solle man Neumann noch einmal als CEO vertrauen, fragt schließlich der Moderator. Die Antwort ist so blumig wie der kalifornische Mohn an diesem Maitag: „Wir als Menschen neigen dazu, zu viel Gewicht auf die Vergangenheit zu legen“, sagt Neumann.
Aber habe denn, versuchte es der Moderator erneut, der CEO in ihm irgendetwas aus der Vergangenheit gelernt? Neumann lacht. Der Amazon-Gründer Jeff Bezos habe ihn jüngst zur Seite genommen und ihm einen Ratschlag gegeben: Als CEO solle er in Sitzungen bewusst immer erst als Letzter sprechen. Sonst versucht jeder, ihn nach dem Mund zu reden. „Das versucht er nun zu beherzigen“, sagt Neumann. „Ich halte einen Moment inne, atme tief ein und warte, bevor ich den Mund öffne.“