Anstatt Party-Pics und Strandfotos eine Flut von kommerziellen Kurzvideos: Die Grundidee der sozialen Netzwerke ist gescheitert
Sie versprechen, Menschen auf der ganzen Welt zu vernetzen und die Erde damit zu einem besseren Ort zu machen. Aber heute sind Plattformen wie Facebook oder Tiktok nicht mehr „sozial“. Ihr Versprechen entlarven sich als Feigenblatt für eine fragwürdige Datensammelpraxis.
Ein Facebook-Profil? Jaja, so eines hatte man einmal. Aber ob man das Passwort dazu noch errät? Irgendwie hat sich das Leben in den vergangenen Jahren auf andere Kanäle verschoben. Heute ist man vielleicht auf Instagram. Oder auf Tiktok. Aber eigentlich nutzt man diese nicht wie Facebook damals, um Geburtstagspartys zu organisieren oder um herauszufinden, wer am Samstag alles zum Gartenfest der Freundin kommt.
In den vergangenen Jahren sind wir schleichend in eine neue digitale Realität gerutscht. Früher gab es soziale Netzwerke, wo man postete, was man machte, und sah, was seine Freunde taten. Doch nach und nach haben die meisten Nutzerinnen und Nutzer zugehört, viel Privates zu posten.
Tatsächlich scheint es, als hätten wir im Kollektiv einen besseren Umgang mit den Netzwerken gefunden. Aus manchen Marktschreiern von einst, die ihr Privatleben online zur Schau stellt, sind heute bewusste Konsumenten geworden. Sie wissen nur zu gut, dass jedes Bild, das sie im Internet veröffentlichen, unter Umständen in Datenbanken zur Gesichtserkennung landen kann oder in einem gefälschten Porno.
Die Veränderung im Nutzerverhalten wurde von den Plattformen selbst beschleunigt, indem sie Inhalte von privaten Kontakten nach und nach weniger belasteten. Offenbar merkt sie, dass wir mehr Zeit mit ihren Apps verbringen, wenn sie uns weniger von den immergleichen Strandfotos von alten Schulkameraden in den Feed spülen, dafür mehr Videos von Influencern, die wissen, wie man sich unterhaltsam in Szene setzt.
Das zeigt: Heute geht es in den sozialen Netzwerken eher um Kommerz als um Kommunikation. Und die Nutzer teilen sich auf in zwei Gruppen: Sender und Empfänger, also Influencer, die Inhalte erstellen, und Zuschauer, die sich mit der App unterhalten.
Die «Tiktokisierung» der Netzwerke
Deutlich wurde dieser Trend mit dem kometenhaften Aufstieg von Tiktok. Auf der chinesischen App muss man niemandem folgen, keine Freunde hinzufügen, keine Interessen angeben. Der Algorithmus lernt nach wenigen Minuten Nutzung von selbst, welche Inhalte einen am meisten fesseln.
Dem Prinzip Tiktok mit seinen Kurzvideos passt sich an und nach auch den Plattformen aus dem Silicon Valley an, insbesondere Instagram, Facebook und Youtube. Sie führten die Kurzvideoformate „Reels“ (Instagram und Facebook) und „Shorts“ (Youtube) ein und zeigt ihren Nutzern immer mehr davon. Damit sieht man heute überall die gleiche Sauce aus Clips, die auf den schnellen Dopamin-Kick im Hirn ausgelegt sind.
Die Grundidee der sozialen Netzwerke ist damit gescheitert. Als Mark Zuckerberg Facebook gründete, sagte er: „Facebook ist da, um die Welt zu vernetzen.“ Er wolle «doch nur erreichen, dass Menschen effizienter miteinander kommunizieren».
Inzwischen ist Facebook aber zu einem Ort geworden, wo nur noch ein paar längst vergessene «Freunde» mit hohem Mitteilungsbedürfnis ihr Leben teilen. Dafür sieht man allerhand andere Inhalte: lustige Videos von Kindern und Katzen, Trickbetrügereien, Aufnahmen von versteckten Kameras.
Private Kommunikation findet wieder im kleinen Raum statt
«Sozial» ist daran nichts mehr. Und das ist gut so. Denn die private Kommunikation ist nun dort, wo sie hingehört: in verschlüsselten Chats, deren Teilnehmerzahl möglichst klein gehalten wird.
Zwar wissen Plattformen wie Tiktok oder Instagram nach wie vor zu viel über uns: unsere Interessen, Interessen, politischen Vorlieben und über Metadaten auch unsere Wohn- und Arbeitsorte und vielleicht sogar unsere Schlafenszeiten.
Aber immerhin schützen die meisten Nutzerinnen und Nutzer nun ihre Privatsphäre vor voyeuristischen Drittpersonen, indem sie kaum mehr persönliche Dinge über sich veröffentlichen und die Welt nicht mehr über die bevorstehenden Sommerferien informieren, während deren Einbrecher ihre Wohnung ausräumen können.
Die ursprüngliche Mission von Facebook, nämlich Menschen zum Austausch zu verleiten, ist nun als das entlarvt, was sie schon immer war, nämlich ein Feigenblatt. Nun können alle sehen, was die Firma wirklich ist: eine gewaltige Datenkrake und eine sehr erfolgreiche Werbemaschine. Noble Versprechen der Plattformen sind pures Marketing-Blabla, heute mehr denn je.