Googles Monopol im App-Store: Epic erringt vor Gericht einen wichtigen Sieg, Google geht in Berufung
Ein Geschworenengericht stellt einen Verstoss von Google gegen das Kartellrecht fest. Während des Prozesses werden verschiedene Abmachungen öffentlich gemacht, die Google über die Jahre hinweg getroffen hat – unter anderem um «unnötige Konkurrenz» zu verhindern.
Der Entwickler des Videospiels Fortnite, Epic Games, hat vor Gericht gegen Google einen bedeutenden Siegfehler. Am Montag hat eine Jury in Kalifornien einstimmig entschieden, dass Google beim Vertrieb von Apps und der Abwicklung von Zahlungen über sein Handy-Betriebssystem Android gegen Kartellrecht verstößt und damit Epic sowie andere App-Entwickler geschadet hat.
Das Urteil könnte weitreichende Veränderungen für die Kunst und Weise haben, wie App-Entwickler über Android Geld verdienen können, und Google einige Milliarden an Einnahmen kosten. Google verlangt aktuell bei Apps, die über seinen Play Store gemacht werden, eine Gebühr von 15 Prozent für über das Handy abgeschlossene heruntergeladene Abonnements sowie 30 Prozent für Käufe, die in der App werden.
Epic hatte vor drei Jahren Klage gegen Google eingereicht und beschuldigte den Konzern, die Verteilung von Apps auf Android monopolisiert zu haben. Dafür habe Google Absprachen mit Konkurrenten getroffen sowie seine Ressourcen dazu verwendet, um Konkurrenz zu unterbinden. Vor Gericht verteidigte Google sein Vorgehen als notwendig, um gegen Apple, seinen größten Konkurrenten im Smartphone-Markt, bestehen zu können.
Dieses Argument überzeugte die Jury nicht: Sie gab Epic in allen elf Punkten Recht. Wie genau Google für sein Verhalten zur Rechenschaft gezogen wird, wird ein Richter zu Beginn des nächsten Jahres entscheiden. Während Epic das Urteil begrüsste, kündigte Google an, Berufung einlegen zu wollen.
Der Entscheid der Jury ist ein wichtiger Sieg für Epic in seinem Kampf gegen die durch ihn beklagte Kontrolle von Google und Apple über das App-Ökosystem. Vor zwei Jahren hatte Epic eine ähnliche Klage gegen Apple wegen seines App-Stores auf dem iPhone-Betriebssystem weitgehend verloren. Damals urteilte jedoch eine einzelne Richterin über den Fall und keine Jury. Sowohl Apple als auch Epic haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Google traf diverse strategische Abmachungen
Der vierwöchige Schlagabtausch zwischen Epic und Google lieferte einen interessanten Einblick in das Innere von Google und machte bislang nicht bekannte, strategische Abmachungen öffentlich, die der Konzern unter anderem mit Samsung, Activision Blizzard oder Spotify getroffen hat.
Während das Geschäft mit Android für den Google-Konzern weniger wichtig ist als das Geschäft mit Werbung und seiner Suchmaschine – das aktuell Gegenstand einer kartellrechtlichen Klage des US-Justizministeriums ist – ist der damit erzielte Umsatz dennoch beträchtlich. Im Jahr 2020 machte Google über Play-Store-Gebühren einen Bruttogewinn von 11,44 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 14,66 Milliarden Dollar. Google hält jedoch fest, dass in diesen Zahlen Ausgaben zur Verbesserung von Android nicht enthalten sind.
Knapp ein Drittel des Geldes, das Nutzerinnen und Nutzer im Play Store ausgeben, stammt laut internen Dokumenten von Google aus dem Jahr 2019 von einer Hand voll Gaming-Entwickler. Als Epic sich daher 2018 entschied, die Smartphone-Version seines beliebten Fortnite-Videospiels nicht über den Play Store anzubieten, um die 30-Prozent-Gebühr zu umgehen, klingelten bei Google die Alarmglocken.
Wie im Verlauf der Verhandlungen bekannt wurde, überlegte Google, den Anteil den das chinesische Tech-Unternehmen Tencent an Epic hält, zu kaufen. Die Strategie hatte mehrere Milliarden Dollar gekostet und wurde nicht weiterverfolgt. Im Anschluss bot Google Epic 147 Millionen Dollar an, um Fortnite doch noch im Play Store anzubieten. Neben dem direkten Umsatzausfall durch das Fehlen des Videospiels sorgt sich Google laut auch um die „Ansteckung anderer Entwickler“. Sollten weitere Gaming-Entwickler ihre Spiele am Play Store vorbeikommen lassen, könnte Google laut einer internen Schätzung bis zu 3,6 Milliarden Dollar verlieren.
Google und Samsung wollten «unnötige Konkurrenz» verhindern
Ab 2019 ging Google außerdem eine Reihe von Deals ein, um Smartphone-Hersteller davon, laut Epic, zu überzeugen, auf ihren Geräten nur den Play Store und keine eigenen Stores anzubieten. Große Hersteller, etwa Xiaomi aus China, versprachen Google dabei 16 Prozent der Einnahmen durch den Play Store. Kleinere Hersteller erhielten zwischen 4 und 6 Prozent.
Motorola etwa erhielt 2021 6 Millionen Dollar, damit seine Smartphones exklusiv den Play Store installiert haben und auch der Standard-Browser sowie die Standard-Suchmaschine von Google kommen. Google verteidigte die Zahlungen vor Gericht und sagte, dass diese die Smartphone-Hersteller dazu motivieren sollten, Android-Handys zu bauen und mit Apple zu konkurrieren.
Samsung, das mit dem Galaxy Store einen eigenen App-Store betreibt und der größte Hersteller von Android-Geräten ist, bereitete Google laut Darstellung von Epic besonders große Sorgen. 2019 begann Samsung, Entwickler anzubieten, ihre Apps über den Galaxy Store zu vertreiben und bot dabei eine Gebühr über 20 Prozent an statt den 30 Prozent, die Google verlangte. Daraufhin bot Google Samsung 200 Millionen an, um für vier Jahre auf den Galaxy Store zu verzichten.
Samsung ging laut vor Gericht gezeigten Dokumenten nicht auf den Deal ein und machte ein Gegenangebot, um «unnötige Konkurrenz» zu verhindern. Die beiden Unternehmen einigten sich darauf, dass Google Samsung über vier Jahre hinweg über 8 Milliarden Dollar zahlen würde und Google die Standard-Suchmaschine auf Samsung-Handys wird. Am Ende enthielt der Deal keine Exklusivitäts-Klausel für den Play Store.
Neben den Smartphone-Herstellern ging Google auch auf die Gaming-Entwickler zu und bot ihnen Gutschriften an, die sie für Werbung und Cloud-Dienste verwenden konnten. Im Gegenzug dazu sollten sich die Entwickler verpflichten, ihre Videospiele auch im Play Store zu veröffentlichen. Zu dem Unternehmen, das eine solche Abmachung einging, gehörten etwa Riot Games, die Macher von League of Legends, oder Activision Blizzard, zu deren Katalog das beliebte Handy-Spiel Candy Crush gehört.
Spezieller Deal für Spotify
Neben Epic gehört Spotify zu den größten Kritikern der hohen Gebühren für App Stores. Google-Mitarbeitende Sprachen laut einem Dokument davon, dass es eine «strategische Vereinbarung für Spotify» braucht, weil das Unternehmen in Europa Regelungen anstrebe, die dem Play Store gefährlich werden könnten. Wie aus Zeugenaussagen und vorgelegten Dokumenten hervorgeht, einigten sich Google und Spotify abschließend darauf, dass Spotify keine Gebühren an Google zahlt, wenn ein Nutzer sein Abo über Spotify direkt abschließt, aber 4 Prozent des Preises fällig werden, wenn die Zahlung über Google abgewickelt wird. Im März 2022 gaben die beiden Unternehmen die Einigung bekannt, ohne genaue Zahlen zu nennen.
Wie während der Gerichtsverhandlung herauskam, nutzte der Entwickler bis Mai 2023 75 bis 80 eine ähnliche Vereinbarung. Dabei erhalten sie jedoch lediglich einen Rabatt von 4 Prozent auf die von Google erhobene Gebühr. Google verteidigte sich vor Gericht mit dem Argument, dass die Entwickler sich über fehlende Alternativen bei der Abwicklung von Zahlungen, nicht über zu hohe Gebühren beklagt hätten.
Zu diesen Entwicklern gehörte auch ein Google-Schwester. Susan Wojcicki, die frühere CEO von Youtube, beklagte sich bei einem Android-Manager über die mangelnde Auswahl, als die Videoplattform zum Wechsel auf den Zahlungsdienst von Google gezwungen wurde. „Unser Team denkt, dass es uns im Wettbewerb schaden wird, wenn wir Google Play Billing verwenden müssen“, sagte Wojcicki in einem während dem Prozess vorgelegten Chat.
Mit Agenturmaterial