Google entlässt Mitarbeiter. Sie hatten gegen eine Kooperation mit Israel protestiert
Die Angestellten hätten „anderen Mitarbeitern das Gefühl vermittelt, sie seien bedroht“, begründete Google den Schritt. Auch in anderen Tech-Konzernen führt der Gaza-Krieg zu internen Verwerfungen.
Darf Google im Krieg im Gazastreifen mitmischen? Dass der Konzern seine Cloud-Dienstleistungen auch der israelischen Regierung verkauft, führt zunehmend zu Spannungen in der Belegschaft. Nach Protesten einiger „Googler“ an den Firmensitzen in Sunnyvale, New York und Seattle entliess der Konzern nun 28 Angestellte, die an den Demonstrationen teilgenommen oder diese mitorganisiert hatten.
Kooperation im Umfang von 1,2 Milliarden Dollar
Gegenstand der Spannungen ist das Projekt „Nimbus“ – ein Abkommen im Umfang von 1,2 Milliarden Dollar zwischen der israelischen Regierung und zwei der weltgrößten Cloud-Computing-Anbieter, Google und Amazon Web Services. Die Kooperation besteht bereits seit Juli 2021 und ist seitdem immer wieder Gegenstand von Protesten.
Auslöser der jüngsten Demonstrationen war nun ein Bericht des Magazins «Time», laut dem Google seine Kooperation im Zuge des Gaza-Krieges jüngst aufgebaut hat. Gemeinsame interne Dokumente haben nicht nur die israelische Regierung, sondern konkret auch das israelische Verteidigungsministerium, dem das Militär untersteht, einen eigenen Zugang zu Googles Cloud-Infrastruktur. Zudem habe Google das Verteidigungsministerium beim Ausbau seines Cloud-Zugriffs beraten und für diese Beratung einen reduzierten Betrag in Rechnung gestellt, weil es bereits den bestehenden «Nimbus»-Rahmenvertrag gebe.
Die Recherche legt auch nahe, dass es sein könnte, dass die besagte Cloud-Computing-Infrastruktur dabei hilft, dass künstliche intelligente Systeme des israelischen Militärs die Ziele für Israels Luftangriffe auf Gaza auswählen. Google-Mitarbeiter sagten gegenüber „Time“, dass die Firma wenig Kontrolle darüber habe, für welche Zwecke ihre Kunden die Cloud-Infrastruktur konkret einsetzt.
Büro des Chefs von Google Cloud besetzt
Daraufhin protestierten am Dienstag Mitarbeiter während zehn Stunden an den Firmensitzen von Google. Die Demonstranten besetzten unter anderem das Büro des CEO der Google-Cloud-Sparte, Thomas Kurian, am Firmensitz in Sunnyvale. Vereinzelt zogen proisraelische Anhänger zu Gegendemonstrationen auf. Dabei wurde laut dem Konzern Eigentum beschädigt und andere Mitarbeiter von ihrer Arbeit abgehalten. Polizisten verhafteten neun Demonstranten am späten Abend, weil diese den Firmensitz nicht freiwillig räumen wollten.
Hinter den Protesten steht die Gruppe «No Tech for Apartheid», der mehrere Mitarbeiter von Google und Amazon angehören und die seit drei Jahren immer wieder gegen das Projekt «Nimbus» protestiert.
Die Proteste bei Google sind insofern besonders bemerkenswert, als dass der Konzern mehr als andere Tech-Firmen für seine offene Kultur bekannt ist. Mitarbeiter werden generell dazu geschult, Führungskräfte zu kritisieren und ihre ethnische Herkunft und sexuelle Identifikation offen auszuleben. Vielen Google-Mitarbeitern ist der Gedanke zuwider, dass ihr Arbeitgeber indirekt an Kriegen teilnehmen könnte. Sie verweisen auf das langjährige Firmenmotto «Don’t be evil» und den proklamierten Anspruch, Technologie für Gutes zu nutzen, was im Widerspruch zu einer Zusammenarbeit mit dem Militär stand. Der damalige CEO Eric Schmidt beschrieb Anfang der 2000er Jahre die Firmenkultur einmal so: „Bei Google dreht sich viel um die Tatsache, dass die Leute, die hier arbeiten, denken, sie seien noch an der Uni“.
Offenbar steht bei Google jedoch eine Zeitenwende an. Der CEO Sundar Pichai fand am Donnerstag in einem Blogpost deutliche Worte. Google sei „ein Geschäft und nicht der Ort, um (…) über polarisierende Probleme zu streiten oder Politik zu diskutieren“. Mit Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungen in der KI schrieb Pichai, die jetzige Zeit sei für Google zu wichtig, als dass die Firma sich ablenken lassen könne.
2018 gab Google dem Druck der Mitarbeiter beim Projekt «Maven» nach
Proteste gegen Googles Unterstützung für die israelische Regierung lodern seit einiger Zeit immer wieder auf: Nach Unterzeichnung der Kooperation zum Projekt «Nimbus» im Jahr 2021 protestierten Hunderte Mitarbeiter in einem offenen Brief dagegen. Auch nach dem Ausbruch des jüngsten Gaza-Krieges versammelten sich Mitte Dezember 2023 mehrere hundert Demonstranten vor Googles Büroräumen in San Francisco und forderten mit Plakaten das Ende von Projekt «Nimbus». Und Google kündigte jüngst einen Mitarbeiter, weil dieser im März bei einer Technologiekonferenz in New York den Vortrag eines israelischen Google-Managers mit Protestrufen unterbrochen hatte.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass Kooperationen zwischen Google und dem Militär zu Spannungen mit der Belegschaft führen. 2018 war bekannt gegeben, dass der Konzern das Projekt «Maven» des amerikanischen Militärs unterstützte; Dessen Ziel war es, die Drohnentechnologie des Pentagons zu verbessern und mithilfe künstlicher Intelligenz unter anderem Terroristen gezielt mit Drohnen töten zu können. Knapp 4000 Googler forderten den CEO Sundar Pichai damals dazu auf, die Kooperation zu beenden; Rund ein Dutzend Mitarbeiter kündigte aus Empörung über die Zusammenarbeit.
Damals gab die Konzernspitze nach und verlängerte den – durchaus lukrativen – Vertrag mit dem Pentagon nicht. Doch seit 2018 hat sich viel geändert. Diesmal scheint die Konzernspitze gewillt, dem Druck der Belegschaft standzuhalten. In einer konzernweit verschickten E-Mail, aus der das „Wall Street Journal“ zitierte, schrieb der für globale Sicherheit zuständige Google-Manager Chris Rackow diese Woche, die Proteste seien „inakzeptabel, extrem beunruhigend“ und hätten „Mitarbeitern das Gefühl vermittelt, sie sind bedroht». «Wenn du zu den wenigen gehörst, die denken, wir würden ein derartiges Verhalten, das unsere Firmenrichtlinien verletzt, ignorieren, dann denken noch einmal genau nach.»
Die Gruppe „No Tech for Apartheid“ kritisierte wiederum die Entlassungen als „abscheuliche Form von Vergeltung“. Google-Mitarbeiter hatten das Recht, friedlich gegen die Umstände und Bedingungen ihrer Arbeit zu protestieren, hiess es.
Google wiederum hielt am Donnerstag in einer Stellungnahme fest, dass der Vertrag des Projekts „Nimbus“ „keine Heiklen, streng vertraulichen oder militärischen Inhalte umfasst, welche für Waffen oder die Arbeit von Geheimdiensten“ relevant seien.
Auch bei anderen Technologiekonzernen löst der Krieg in Gaza interne Spannungen aus. Rund 400 Angestellte von Apple fordern den CEO Tim Cook und das Management jüngst in einem offenen Brief dazu auf, endlich öffentlich Stellung zum Gaza-Krieg zu nehmen und das Leiden der Palästinenser zu verurteilen. Und Microsoft wie auch Meta-Beiträge von Mitarbeitern in internen Chatforen entfernt, die sich um den Gaza-Krieg drehten, berichtet die «New York Times».