Kann Apple auch KI? Wir werden es heute erfahren
Während die Konkurrenz imposante Chatbots, KI-Modelle und -Smartphones vorstellt, hinkt Apple der KI-Welle hinterher. Auf der Entwicklerkonferenz wird der iPhone-Konzern nun vorstellen, wie sich das ändern wird. Eine Rolle könnte dabei auch Open AI spielen.
Apple weist auf Technologietrends hin, die der Konzern in den letzten 48 Jahren bereits häufiger gezeigt hat: Sei es beim Smartphone, bei drahtlosen Kopfhörern oder Tabletcomputern; nie war Apple der «First Mover» bei diesen Innovationen. Auch bei der Schlüsseltechnologie KI scheint dies der Fall zu sein.
Konkurrenten wie Google, Microsoft, Samsung und Open AI haben in den vergangenen anderthalb Jahren beeindruckende künstlich intelligente Chatbots, Smartphones und Suchfunktionen auf den Markt gebracht. Von Apple, einem der führenden Technologiekonzerne der Welt, kam es bisher praktisch nichts. Der Konzern muss sich vorwerfen lassen, die KI-Revolution verschlafen zu haben.
Doch Apple ist auch dafür bekannt, dass die Firma ihre Konkurrenten schnell überholt, wenn es ein eigenes Produkt auf den Markt bringt. Auch dafür sind beispielsweise das iPhone, die Bluetooth-Kopfhörer oder das iPad. Kann Apple diesen Dreh nun auch mit KI schaffen?
Das wird am heutigen Montag zeigen, wenn der Konzern zu seiner Entwicklerkonferenz WWDC auf den Campus nach Cupertino einlädt. Es ist traditionell der Moment, in dem Apple seine Schatztruhe öffnet und die Welt offenbart, woran seine Ingenieure in den letzten Monaten getüftelt haben.
Die diesjährige Entwicklerkonferenz ist insofern besonders wichtig, als die KI-Strategie wegweisend für die Zukunft des Konzerns sein wird – also nicht nur für die nächste Version des iPhone oder MacBook, sondern für langfristige, neue KI-Produkte von Apple wie humanoide Roboter oder Kopfhörer mit Kameras, an denen die Firma angeblich tüftelt.
„Es wird Apples größte Veranstaltung seit mehr als zehn Jahren“, glaubt Dan Ives, Analytiker für Wedbush Securities. „Enormer Druck lastet auf (Tim) Cook, eine Reihe an generativen KI-Technologien für Entwickler und Konsumenten auf den Markt zu bringen, mit denen Apple-Geschichte schreiben kann“, twitterte er jüngst.
Die WWDC ist für Apple das wichtigste Event seit über einem Jahrzehnt, da der Druck, einen generativen KI-Technologie-Stack für Entwickler und Verbraucher bereitzustellen, im Vordergrund steht und Cook & Co. am kommenden Montag Geschichte schreiben werden. Wir glauben, dass KI 30 bis 40 US-Dollar zu Apples Geschichte beiträgt. 🍎🍏🏆
– Dan Ives (@DivesTech), 4. Juni 2024
Siri wird generalüberholt
Eine der grundlegendsten Neuerungen, die Apple vorstellen dürfte, soll dabei gemäß amerikanischen Medienberichten den Sprachassistenten Siri betreffen. Wie die «New York Times» anhand von Gesprächen mit Apple-Mitarbeitern schreibt, plant Apple eine grundlegende Überarbeitung von Siri. Offenbar war die Führungsriege von Apple schockiert, als sie vor einigen Monaten feststellte, wie viel besser der Chatbot Chat-GPT im Vergleich zu Siri funktioniert.
Die Konzernleitung überzeugt davon, dass künftig ein ganzes Ökosystem an neuartigen KI-Agenten entstehen könnte, das für die Nutzer beim Kaufen tätig ist, Taxis bestellt und vieles mehr. Diese neuen KI-Agenten könnten das iPhone zu einem «dummen Backstein» in der Hosentasche des Nutzers verkommen lassen. Wenn man sich den jüngsten von Open AI vorgestellten KI-Assistenten anschaut, scheinen diese Sorgen durchaus berechtigt zu sein.
Gemäss der «New York Times» erklärt sich dies auch, weshalb Apple jüngst sein Projekt für ein selbstfahrendes Auto eingestellt hat. Man kam zum Schluss, dass die Arbeit von Hunderten von KI-Ingenieuren und die 10 Milliarden Dollar, die das Vorhaben finanziell verschlang, andernorts besser investiert seien: nämlich in eine zentrale KI-Einheit im Konzern.
Generative KI soll nun das Herzstück des von Grund auf erneuerten Siri bilden. Auf diese Weise soll der Sprachassistent nicht mehr wie heute nur einzelne Fragen beantworten – die er oft auch noch falsch versteht –, sondern natürliche Gespräche mit Folgefragen führen können, ähnlich wie Chat-GPT.
Kooperation mit Open AI?
Apple sieht Open AI dabei offenbar nicht nur als Konkurrenten, sondern auch als Partner. Wie «Bloomberg» berichtet, dürften die beiden Firmen nun beim Chatbot kooperieren – das soll am Montag bekannt gegeben werden. Demnach soll Chat-GPT ins Betriebssystem des iPhone eingebunden werden.
Apple würde davon profitieren, da es Zugang zur führenden KI-Technologie erhielte. Open AI würde davon profitieren, da es auf einen Schlag Hunderte Millionen von iPhone-Nutzern erreichen könnte. Das «Wall Street Journal» sowie andere Medien berichten, dass Apple auch Gespräche mit Google und dem KI-Startup Anthropic geführt habe, sich dann aber letztlich für Open AI entschieden habe – zumindest für Erste.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Apple sich bei der Konkurrenz einkauft, statt ein eigenes Produkt zu entwickeln. Anstatt mit dem Platzhirsch Google zu konkurrieren und Milliarden in die Entwicklung einer eigenen Suchfunktion zu stecken, drehte Apple den Spieß um. Es lässt sich heute rund 20 Milliarden Dollar jährlich von Google dafür zahlen, dass dessen Suchmaschine standardmässig auf dem iPhone und in Apples Safari-Browser installiert sein darf.
2,2 Milliarden Apple-Geräte befinden sich aktiv im Umlauf
Apple plant zudem, KI auch in andere Funktionen des iPhone zu integrieren: KI soll Sprachnotizen transkribieren, Fotos bearbeiten und automatisiert Antwortvorschläge für E-Mails und Textnachrichten liefern. Ebenso soll die Technologie Websites, Dokumente und E-Mails für Nutzer zusammenfassen können.
Keine dieser KI-Funktionen wäre wirklich neu, Apple würde lediglich zur Konkurrenz aufschließen. Doch die Firma verfügt im KI-Wettrennen über einen weiteren gewichtigen Vorteil: seinen gigantischen Kundenstamm. Mehr als 2,2 Milliarden Geräte aus dem Hause Apple sind weltweit im Umlauf. Laut Angaben der Endnutzer könnte Apple so zum grössten Akteur im KI-Markt werden.
Ein weiterer Vorteil für den iPhone-Konzern: Er kann die Chips, die für KI-Berechnungen auf den Endgeräten benötigt werden, intern produzieren, weil er über hervorragende interne Halbleiter-Expertise verfügt. Diese ermöglichen heute bereits KI-Technologien wie Gesichtserkennung. Dadurch muss Apple weniger auf externe Chiphersteller wie Nvidia zurückgreifen, die bisweilen mit Lieferengpässen kämpfen.
KI-Funktionen könnten einen Anreiz liefern, sich ein neues iPhone zu kaufen
Neue KI-Funktionen könnten auch dem zuletzt schwächelnden iPhone-Geschäft Schwung verleihen. Dazu muss man wissen, dass Apple viele seiner neuen KI-Anwendungen aus Datenschutzgründen auf dem Gerät ausführen lassen wird und nicht den Umweg über eine Cloud plant. Das stellt wiederum hohe Anforderungen an die Hardware. Konkret braucht es künftig wohl mindestens ein iPhone 15 – das über einen ultraschnellen A16-Bionic-Chip verfügt – oder einen Laptop mit einem M1-Chip, um die neuen KI-Anwendungen auf dem Gerät direkt ausführen zu können.
Für Nutzer könnte dies einen Grund darstellen, ihr Smartphone aufzurüsten. Zuletzt kämpfte Apple damit, dass viele Kunden die Geräte sehr lange halten. Die im Smartphone verbauten Technologien sind so ausgereift, dass die Unterschiede zwischen iPhones der 13., 14. und 15. Generation nur noch geringfügig ausfallen – für viele Kunden zu gering, als dass sie jedes Jahr umgerechnet 1500 Franken oder mehr dafür ausgäben. Zudem unterstützt Apple länger als viele andere Hersteller die Software-Updates für alte Geräte, bisweilen bis zu sieben Jahre lang. Auch das macht den Wechsel auf ein neueres Gerät weniger dringend.
Neue KI-Funktionen könnten einen Anreiz liefern, endlich ein neues iPhone zu kaufen. Zuletzt war der Umsatz mit dem iPhone leicht rückläufig, wenn auch auf sehr hohem Niveau: Er sank von 205 Milliarden Dollar im Jahr 2022 auf 200 Milliarden Dollar im letzten Jahr. Apple vereint 85 Prozent der weltweiten Erträge mit Smartphones auf sich.
Indem Apple seine KI-Anfragen lokal auf dem Handy und nicht in der Cloud ausführt, dürfte der Konzern im Vergleich zur Konkurrenz auch Geld sparen. Open AI zahlt für alle 1000 Worte, die der Chatbot Chat-GPT in seiner neuesten Version generiert, etwa 12 Cent für Cloud Computing. Experten warnen allerdings davor, dass Sprachmodelle, die lokal auf einem Gerät laufen, kleiner sind und deshalb womöglich auch leichtere Fehler produzieren.