Ringen um Sam Altman: Open AI wollte selbstlos dem Wohl der Menschheit dienen. Diese Illusion musste zerplatzen
Die Firma hinter Chat-GPT wurde gegründet, um die Menschheit voranzubringen. Dass Open AI stattdessen Profitinteressen verfolgt, muss keine schlechte Nachricht sein.
Es sind stürmische Zeiten bei Open AI, dem Hersteller von Chat-GPT. Am Freitag kündete der Verwaltungsrat dem CEO Sam Altman mit einem vagen Hinweis darauf, dass er nicht immer ehrlich sei sei. Bereits einen Tag später begannen Verhandlungen über Altmans Rückkehr.
Open AI hat eine spezielle Firmenstruktur, bei der ein profitorientierter Arm einer Non-Profit-Organisation unterstellt ist, welche das Wohl der Menschheit im Blick haben soll. Der jetzige Tumult zeigt, wie naiv der Idealismus der Gründer war.
Die Geschichte von Open AI beginnt wie ein Märchen. Vor acht Jahren heckte eine Gruppe im Silicon Valley einen großen Plan aus. Man wollte Maschinen erschaffen, die Klüger wären als jeder Mensch und alle wissenschaftlichen Probleme lösen könnten: allgemeine künstliche Intelligenz (KI).
Fortschritt und eine bessere Welt sahen die Gründer am Horizont. Aber auch Gefahr. Nämlich, wenn solche Maschinen Einzelinteressen dienen würden und nicht der gesamten Menschheit.
Sie ahnten, wer solche Maschinen entwickelt hätte, könnte zu viel Geld kommen und das Allgemeininteresse aus den Augen verlieren. Dem wollte sie vorbeugen. Sie gründeten ihr Forschungsinstitut als Non-Profit-Organisation, die keine Gewinne machen konnte.
Doch das schränkte die Forschung ein. Immer mächtigere KI-Modelle zu entwickeln, braucht teure Rechenleistung. Als Sam Altman, einer der Gründer der ersten Stunde, CEO wurde, überlegte er sich einen Ausweg. 2019 gründete er einen profitorientierten Seitenarm, der Investorengelder einbringen sollte.
Die Kontrolle sollte beim Non-Profit-Verwaltungsrat bleiben. Altman selbst betonte oft, wie wichtig es für die Unabhängigkeit sei, dass auch er jederzeit entlassen werden könne.
Jetzt zeigt sich, wie wenig die Worte wert waren.
Das Märchen zerbricht an der Realität
Denn mittlerweile ist Chat-GPT entstanden. Ein Durchbruch, der die Bewertung des Unternehmens in einem Jahr auf fast 100 Milliarden Dollar hochschraubte, zur Freude des Hauptinvestors Microsoft und der Angestellten mit Profit-Optionen. Sie reagierten empört auf die Absetzung Altmans und brachten den Verwaltungsrat zum Zurückrudern.
Nun sitzt Altman am längeren Hebel. Wenn er zurückkommt, dann wohl nur mit einer neuen Unternehmensstruktur, in der er selbst und Investoren mehr Macht haben.
Warum der Verwaltungsrat Sam Altman überhaupt das Vertrauen entziehen wollte, ist unklar. Es wirkt, als hätte Altman Gewinne vor Vorsicht gestellt und dabei zu wenig Rücksprache gehalten – das könnte den verklausulierten Vorwurf der Unehrlichkeit erklären.
Man könnte sagen, der Fall trat ein, für den die Open-AI-Gründer vorsorgen wollten: ein Interessenkonflikt zwischen Allgemeinwohl und Profit.
Das jetzige Chaos zeigt: Gegen das Gewicht des Geldes kommen idealistische Gründungsdokumente nicht an. Und das ist kein banaler Schluss.
Im Silicon Valley herrschen naive Vorstellungen von Technologie und deren Kontrolle
Man muss sich kurz vor Augen halten, für welche Vision diese Dokumente aufgesetzt wurden: Nicht um weniger ging es als um das Lenken einer Superintelligenz in Richtung Allgemeinwohl und demokratischer Kontrolle.
Die Regeln aber scheitern bereits jetzt, wo KI zum ersten Mal breite Gewinne abwirft. Wie kläglich sie erst aussehen würden, wenn es nicht um einen Chatbot geht, sondern tatsächlich um eine Superintelligenz, welche die Geschicke der Menschheit beeinflussen könnte!
Das alles zeigt: Die Tech-Visionäre im Silicon Valley schaffen erstaunliche Innovation. Zugleich unterschätzen sie die Machtdynamik, die durch diese Innovationen entsteht. So naiv wie die Leitlinien von Open AI wirkt auch die oft vorgebrachte Argumentation, wenn es um Regeln für KI geht. Es ist reich, KI am Wohl der Menschheit auszurichten, Unternehmen könnten selbst dafür sorgen.
Darauf sollten wir uns nicht verlassen. Es müssen politische Leitplanken gesetzt werden, innerhalb deren sich Visionäre kreativ und innovativ austoben können. Dann ist es egal, ob sich bei Open AI die Business- oder die Idealistenfraktion durchsetzt. Weil die Zukunft von Mensch und Maschine nicht von ihrem Gutdünken abhängt.