Apple feiert das iPhone 16 als revolutionäres KI-Handy, tatsächlich schliesst es damit endlich zur Konkurrenz von Google und Samsung auf, die bereits eigene KI-Geräte auf dem Markt haben. Doch Apple verfügt über zwei Vorteile.
Die Vorstellung des neuen iPhone ist jedes Jahr das wichtigste Ereignis im Hause Apple, schließlich verdankt der weltgrößte Technologiekonzern dem Smartphone mehr als die Hälfte seines Umsatzes von zuletzt 383 Milliarden Dollar.
Doch 17 Jahre nach der Erfindung wird es zunehmend schwerer, das iPhone jahraus, Jahre neu zu finden und anzupreisen – der Absatz stagniert entsprechend seit einiger Zeit auf hohem Niveau.
Auch das am Montag präsentierte iPhone 16 unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den sieben letzten Modellen. Ja, die Kamera ist wieder besser, und ein neuer berührungsempfindlicher Kamera-Knopf an der Seite trägt die Tatsache Rechnung, dass das Smartphone für viele vor allem ein Fotoapparat ist.
Innen allerdings hat das 16er Modell einen Chip, der aus ihm ein gänzlich neues Gerät macht, wie Apple behauptet: den hausintern entwickelten A18 Siliziumchip, der auf leistungsstarker Drei-Nanometer-Chiptechnologie basiert. Dieser mache das iPhone 16 schneller als manche Desktop-Computer und schaffe es, dass „mehrere generative (KI-)Modelle auf dem iPhone in deiner Tasche laufen“, wie es Apples Software-Chef Craig Federighi formulierte. Das neue iPhone sei von Grund auf ein KI-Gerät – diese Botschaft wiederholten Federighi, CEO Tim Cook und andere Apple-Manager zahlreiche Male in der rund 100-minütigen Präsentation.
Gepaart mit einem mächtigen Software-Update soll das iPhone 16 die KI-Maschine von Apple werden und die Ära der «Apple Intelligence», wie der Konzern seine Version der Technologie nennt, einläuten.
In Kurzvideos zeigte der Konzern am Montag eine Zukunft, in der das iPhone für uns Dokumente, E-Mails und selbst Telefonate zusammenfasst; in der man den Sprachassistenten Siri fragt: „Wann landet meine Mutter heute?“; und in der eine kluge Kameralinse dem Betrachter erklärt, welche Hunderasse man gerade vor sich hat. Fürs Erste soll die neue KI nur auf Englisch verfügbar sein, Versionen auf Französisch, Japanisch und Spanisch sind aber bereits in Vorbereitung.
Kein Verkauf in der EU und in China
Wir haben gehofft, dass Apple nun endlich den Befreiungsschlag schafft und punkto KI zur Konkurrenz aufschliesst, der enttäuscht wird. Denn nach wie vor sind viele von Apples KI-Funktionen Zukunftsmusik. Wenn das neue iPhone am 20. September ausgeliefert wird, ist die Software – das Betriebssystem iOS 18 – noch nicht verfügbar. Das ist so, als verkaufe man einen neuen Fernseher ohne Kabelanschluss.
Wenn das Software-Update iOS 18 im Oktober dann lanciert wird, wird es weniger KI-Funktionen aufweisen, als noch an der Entwicklerkonferenz im Juni angekündigt. Der Sprachassistent Siri etwa wird erst 2025 fertig sein, und auch die Kooperation mit OpenAI werden Apples Nutzer dieses Jahr nicht mehr testen können.
Ausserdem wird Apple Intelligence bis zu einem weiteren in zwei wesentlichen Märkten nicht erhältlich sein: der EU und China. Apple verwies auf die Regulierung des Digital Markets Act als Begründung für den europäischen Markt. „Wir sind besorgt, dass die Interoperabilitätsanforderungen uns dazu zwingen könnten, die Integrität unserer Produkte in einer Weise zu beeinträchtigen, die Privatsphäre und die Datensicherheit der Nutzer gefährdet“, teilte der Konzern mit. In China muss Apple wiederum einen anderen, lokalen Kooperationspartner suchen, da die Partnerschaft mit dem Chatbot der kalifornischen Firma Open AI dort nicht akzeptiert wird. Wie «Bloomberg» berichtet, ist Apple im Gespräch mit Baidu und Alibaba.
Es ist nicht klar, ob Apple bewusst langsam die neuen KI-Funktionen auf den Markt bringt, oder ob es der Konkurrenz schlichtweg hinterherhinkt. Tatsache ist, wer im Hier und Jetzt sein iPhone 16 mit dem jüngst von Google vorgestellten KI-Handy Pixel 9 vergleicht, sieht alt aus – das Gerät verfügt bereits über smarte Kameralinsen, fortgeschrittene Fotobearbeitungsfunktionen und Möglichkeiten, mit dem Chatbot Gemini zu interagieren. Auch Samsung hat sein KI-Handy bereits im Januar veröffentlicht. 22 Monate nach dem Start von Chat GPT ist die KI-Revolution noch nicht auf dem iPhone angekommen.
Zwei Argumente dürften die Nutzer bei Apple halten
Muss Apple nun befürchten, dass ihm deshalb die Nutzer davonlaufen? Zwei Punkte sprechen dagegen.
Erstens hebt sich Apple von Konkurrenten damit ab, dass es die meisten KI-Anfragen der Nutzer nicht in ein externes Datenzentrum zur Beantwortung sendet, sondern dass diese auf dem Gerät selbst ausführt werden. Damit sei die Privatsphäre und seien die Daten der Nutzer besser geschützt, behauptet Apple – ein wichtiges Versprechen für die Firma, die auf Werbeplakaten stets gelobt: «Privacy, that’s iPhone».
Angesichts des Schatzes an persönliche Daten, die wir auf unseren Smartphones haben, ist das ein attraktives Versprechen. Nur bei Anfragen, die Allgemeinwissen betreffen, wird Apples KI mit externen Partnern wie in den USA OpenAI kooperieren.
Zweitens zahlt sich für Apple wieder einmal aus, dass es seine Nutzer in einem riesigen Ökosystem eingesperrt hat, dessen Gravitationszentrum das iPhone ist. Wer heute zu einem KI-Smartphone der Konkurrenz wechselt, muss in Kauf nehmen, dass seine Apple Watch und sein Macbook nicht mehr reibungslos mit dem neuen Smartphone funktionieren.
Doch auch wenn die Nutzer geduldig auf Apples KI warten, ist fraglich, ob sie jetzt wirklich auf das iPhone 16 – oder ob sie nicht noch bis zum 17er Modell wechseln, wenn die Technologie weiter ausgereift und breiter verfügbar ist. Damit dürfte aber auch der lange ersehnte Wachstumsimpuls für das Smartphone länger auf sich warten lassen.
Die wichtigsten Ankündigungen von Apple:
- Neue Smartwatch: Die Apple Watch Serie 10 hat einen größeren, dünneren Bildschirm mit Oled-Technologie (organische Leuchtdiode) und verfügt neuerdings über einen Siliziumchip S10, der die „Apple Intelligence“ unterstützt. Zudem kann die Software nun Schlafapnoe erkennen, also eine gestörte Atemregulation beim Schlafen. Preis ab 449 Franken.
- Neue Kopfhörer: Die Bluetooth-Kopfhörer Airpods 4 gibt es in einer Version mit aktiver Geräuschunterdrückung, die Umgebungsgeräusche ausblendet und Gespräche erkennt. Anrufe lassen sich mit Kopfnicken oder -schütteln annehmen oder ablehnen. Zudem stellt Apple eine neue Version der Airpods Pro vor: Die zweite Generation dieser Kopfhörer wird zunehmend zu einem smarten Hörgerät und kann etwa die Audiolautstärke basierend auf dem eigenen Hörprofil heraufregeln. Bei lauten Umgebungsgeräuschen regelt sie sie umgekehrt zum Schutz herunter. Preis ab 129 Franken.