Open-AI-Mitarbeiter drohen mit Kündigung, sollte der Gründer Sam Altman nicht von Microsoft zurückgeholt werden
Beim KI-Unternehmen Open AI ist ein Machtkampf eskaliert. Die Entwicklung ist chaotisch. Der Gründer Sam Altman wollte das Unternehmen kommerzialisieren und wurde vom Aufsichtsrat entlassen. Nun macht Ilya Sutskever, der Verwaltungsrat hinter dem Rauswurf, in einem krassen Volte einen Rückzieher.
Bei Open AI, der Entwicklungsfirma des Chatbots Chat-GPT, ist das große Chaos ausgebrochen. 505 der 770 Mitarbeitenden haben am Montag einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie ihre Kündigung androhen, sollte der am Freitag geschasste Co-Gründer Sam Altman nicht wieder ins Unternehmen zurückgeholt werden. In dem Brief schreiben die Mitarbeitenden: „Wir können nicht für Leute arbeiten, denen es an Kompetenz, Urteilsvermögen und dem Bekenntnis für unsere Mission fehlt.“ Das Verrückteste an der Sache: Zu den Unterzeichnern des Briefes zählt Ilya Sutskever, der Verwaltungsrat, der hinter dem Rauswurf von Altman stecken soll.
Open-AI-Gründer Altman war am Freitag überraschend vom Verwaltungsrat entlassen worden. Danach zog auch Open-AI-Mitgründer und Verwaltungsrat Greg Brockman die Reissleine. Am Sonntag hatte Microsoft dann in einer schnellen Reaktion bekanntgegeben, dass das Unternehmen Altman und Brockman eingestellt habe, um ein Team zu leiten, das sich mit der Erforschung künstlicher Intelligenz befasse. Microsoft ist mit einer milliardenschweren Kooperation der größte Investor von Open AI.
Eilmeldung: 505 der 700 Mitarbeiter von @OpenAI fordern den Vorstand zum Rücktritt auf. pic.twitter.com/M4D0RX3Q7a
— Kara Swisher (@karaswisher) 20. November 2023
Hintergrund der chaotischen Entwicklung ist ein interner Streit mit zwei Lagern. Dabei geht es im Kern darum, wie schnell und umfassend die Anwendungen des Unternehmens kommerzialisiert werden sollen. Sam Altman ist der Vorreiter der Kommerzialisierung. Der Verwaltungsrat hegte jedoch mit Blick auf die Sicherheit beim Einsatz der künstlichen Intelligenz zunehmend Vorbehalte. Dabei soll er sich insbesondere darum gekümmert haben, dass sich die KI eines Tages versalben und die menschliche Intelligenz zunehmend verdrängen könnte.
Spannungen zwischen den Gründern
Besonders zwischen Altman und dem Verwaltungsrat Ilya Sutskever soll es jüngst zu großen Spannungen gekommen sein. Sutskever hatte Altman mehrfach öffentlich kritisiert. Er war es laut Medienberichten auch, der Altman am Freitag um die Anwesenheit bei einer Vorstandssitzung bat. Während dieser Sitzung soll der Verwaltungsrat Altman über seine Entlassung informiert haben.
In ihrem am Montag veröffentlichten Brief beschuldigten nun die Mitarbeitenden den Verwaltungsrat, «unfähig zu sein, Open AI zu beaufsichtigen», und fügten hinzu: «Microsoft hat uns versichert, dass es bei der neuen Tochtergesellschaft Stellen für alle Open-AI-Mitarbeiter gebe, Sollten wir uns für einen Beitritt entscheiden.» Weiter: „Wir werden diesen Schritt in Kürze tun, es sei denn, alle bisherigen Vorstandsmitglieder treten zurück, und der Vorstand ernennt zwei neue führende unabhängige Direktoren wie Bret Taylor (ehemals Salesforce) und Will Hurd (ehemaliger Open AI-Verwaltungsrat) und setzt Sam.“ Altman wieder ein.»
Der Verwaltungsrat Ilya Sutskever scheint sein Vorgehen mittlerweile stark zu bereuen. Auf X schrieb: „Ich bedauere zutiefst meine Beteiligung an den Aktionen des Verwaltungsrates.“ Ich hatte nie die Absicht, Open AI zu schädigen. Ich liebe alles, was wir gemeinsam aufgebaut haben, und ich werde alles tun, was ich kann, um das Unternehmen wieder zu vereinen.»
Ich bedauere zutiefst, dass ich mich an den Aktionen des Vorstands beteiligt habe. Ich hatte nie vor, OpenAI Schaden zuzufügen. Ich liebe alles, was wir gemeinsam aufgebaut haben, und ich werde alles tun, was ich kann, um das Unternehmen wieder zu vereinen.
— Ilya Sutskever (@ilyasut) 20. November 2023
Wie unter anderem der Branchendienst «The Information» und die Nachrichtenagentur Bloomberg berichteten, hatte es nach der Ankündigung des Verwaltungsrates vom Freitag stundenlange Verhandlungen gegeben. Am Wochenende hatten Investoren laut Medienberichten zunächst noch damit gerechnet, dass Altman in sehr naher Zukunft zu Open AI zurückkehren könnte.
«Die Mission von Open AI verteidigen»
Diese Hoffnung zerschlägt sich jedoch im Lauf des Wochenendes. Der Verwaltungsrat von Open AI blieb hart. Er verkündete am Sonntagabend das endgültige Aus von Altman und enthob sogar die erst am Freitag eingesetzte Interims-Chefin Mira Murati des Amtes. Sie sollen sich auf die Seite Altmans geschlagen haben. Neuer Interims-Chef bei Open AI ist nun Emmett Shear, Mitgründer und langjähriger Chef des auf Spiele fokussierten Streamingdienstes Twitch. Er verfüge über eine „einzigartige Mischung aus Fähigkeiten, Fachwissen und Beziehungen, die Open AI vorantreiben werden“, zitierte die „New York Times“ ein internes Schreiben.
In der gleichen Mitteilung hatte der Aufsichtsrat bekräftigt, dass die Entlassung von Altman der einzige Weg sei, um „die Mission von Open AI zu verteidigen“. Als offizieller Grund für den Rauswurf von Altman hatte der Verwaltungsrat zuvor angegeben, der Open-AI-Gründer sei „nicht konsequent aufrichtig“ in seiner Kommunikation mit dem Gremium gewesen und habe dessen Vertrauen verloren.
Machtkampf beim Vorkämpfer der künstlichen Intelligenz
Gemeint war damit wohl, dass Altman die Weiterentwicklung von KI-Produkten in großem Tempo vorantrieb. Laut der Satzung wurde Open AI im Jahr 2015 jedoch als Non-Profit-Organisation gegründet und soll demnach «unabhängig zum Wohle der Gesellschaft» betreiben. Das nicht börsenkotierte Unternehmen gibt keine Geschäftszahlen bekannt.
In der Mitteilung zu Altmans Entlassung hatte der Verwaltungsrat mitgeteilt, dass Open AI gezielt so strukturiert sei, dass das Unternehmen diese Mission erfülle. Das Gremium ist weiterhin voll und ganz verpflichtet, diese Mission zu erfüllen. Es besteht neben dem Chief-Scientist und Mitgründer von Open AI, Ilya Sutskever, aus dem Chef des Internetunternehmens Quora, Adam D’Angelo, der Technologie-Unternehmerin Tasha McCauley sowie Helen Toner von der Research-Organisation Georgetown Center for Security and Emerging Technology.
Die Art und Weise der Absetzung von Altman löst massive Kritik aus. Laut CNN sollen die Investoren erst kurz vor der öffentlichen Bekanntgabe von Altmans Entlassung informiert worden sein. Unter ihnen auch der wichtigste Aktionär Microsoft. Der CEO Nadella, der eine enge Beziehung zu Altman pflegt, soll sich schockiert über die Nachricht gezeigt haben. Die Aktien des Konzerns sanken am Freitag um 1,7 Prozent, stiegen am Montag aber vorläufig wieder um 2,7 Prozent und tendierten am Abend um 2 Prozent.
Mitarbeitende kündigen aus Solidarität
Dass laut Medienberichten bereits viele Mitarbeiter gekündigt haben und eben in dem offenen Brief vom Montag rund 500 weitere mit Abgang gedroht haben, könnte für Microsoft nützlich sein: Mit den Neuzugängen wird der Softwarekonzern auf einen Schlag ein stärkerer Player im Wettlauf um die Entwicklung künstlicher Intelligenz. Als Großinvestor hat der Konzern nicht nur weiter Zugang zur Technologie von Open AI – sondern nun auch einen Teil der Chat-GPT-Erfinder im eigenen Haus.
Der CEO Nadella konnte am Montag darum auch schon wieder fröhlichere Töne anstimmen. Man bleibe der Partnerschaft mit Open AI verpflichtet und habe Vertrauen in die gemeinsame Produkt-Roadmap. „Wir freuen uns darauf, das neue Führungsteam von Open AI kennenzulernen und mit ihm zusammenzuarbeiten.“ Und wir freuen uns sehr über die Nachricht, dass Sam Altman und Greg Brockman zusammen mit Kollegen zu Microsoft kommen werden, um ein neues Advanced-AI-Research-Team zu leiten», schrieb Nadella. Altman äußerte sich nur knapp zur Zukunft: „Die Mission geht weiter“, so kommentierte er den Beitrag von Nadella.
Wie es künftig mit Open AI weitergeht, ist jedoch unklar. Mit der Entlassung von Altman und seinem Wechsel zu Microsoft wird das KI-Unternehmen seine Position im Markt geschwächt haben. Davon könnten die Konkurrenten Google und Amazon profitieren. Sie verloren durch die Einführung von Chat-GPT und anderen Open-AI-Modellen den Anschluss. Unter Altman war Open AI rasant zu einem milliardenschweren Unternehmen angewachsen, wozu auch der Aufbau der 2019 gegründeten Geschäftssparte einen wichtigen Beitrag leistete. Dadurch konnte Open AI Milliarden an Kapital aufnehmen. Statt seinen Status als Marktführer aufzubauen, muss sich Open AI nun auf die Suche nach einem neuen CEO machen.