Chat-GPT in der Schule: Lohnt sich das Bezahlmodell?
Der Schreib-Bot kann seit kurzem auch im Internet recherchieren. Was man dazu wissen sollte.
Chat-GPT kann jeder: Man muss nicht einmal etwas herunterladen, um den Schreib-Bot nutzen zu können.
Stefan Kaiser / LZM
„Müssen wir etwas herunterladen?“
Die Frage eines Lehrers lässt tief blicken. Sie fällt am Digitaltag eines Zürcher Gymnasiums Anfang November, in einem Workshop zum Thema Chat-GPT. Der Schreib-Bot des amerikanischen Unternehmens Open AI scheint überall zu sein. Alle reden über ihn, wenn es um künstliche Intelligenz im Unterricht geht. Es gibt aber auch viel Unwissen: Man muss nichts herunterladen, um das Programm nutzen zu können. Die Gratisversion GPT-3.5 ist unter chat.openai.com frei verfügbar. Die Bezahlversion GPT-4 kostet knapp 20 Franken pro Monat.
Seit dem neuesten Update von Anfang November kann GPT-4 auch Bilder erstellen (mit dem Programm Dall-E desselben Herstellers) und selber auf das Internet zurückgreifen. Das Programm ist auch nicht mehr nur auf seine sogenannten Trainingsdaten angewiesen, die ihm die Macher von Open AI bisher verfüttert haben. Der Chatbot kann sich die Informationen jetzt auch selbst zusammensuchen, die es braucht, um die Fragen seiner Nutzer zu beantworten.
Quellen prüfen
Man kann ihm förmlich zusehen beim Recherchieren: «Browsing with Bing» steht da (so heisst die Suchmaschine von Microsoft, die GPT-4 benutzt), dann «Analyzing» oder «Searching», dann «Visiting» (jetzt sieht man, welche Websites der Chatbot gerade durchsucht). Dann, nach einigen Sekunden, schreibt er zurück. Wenn man Glück hat, versieht er seine Antworten mit einem fetten Schlusszeichen. Dort kann man draufklicken, um zur Quelle seiner Angaben zu gelangen.
GPT-4 schafft somit zumindest etwas Transparenz bei der Frage, woher das Programm seine Informationen hat. Bei der Gratisversion GPT-3.5 tappt man da eher im Dunkeln: keine interaktiven Schlusszeichen, keine Live-Hinweise dazu, wie der Bot recherchiert. Aber man kann nach Literaturangaben fragen. Etwas, wenn man weiß, wie es zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl kam. Das liefert die Maschine sofort.
„Je nach Ihren Interessen können Sie sich für eines oder mehrere dieser Bücher entscheiden.“ Chat-GPT weiss auch beim Thema Tschernobyl weiter.
Screenshot R. Sc.
Ein wichtiger Satz steht außerdem ganz unten am Bildschirm (in der Smartphone-App sucht man ihn vergebens): „Chat-GPT kann Fehler machen. Erwägen Sie, wichtige Informationen zu prüfen.»
Ob Schülerinnen und Lehrpersonen das beherzigen, wenn sie mit Chat-GPT arbeiten?
Die Maschine macht bequem
Das dürfte eine der großen Fragen der Zukunft sein. Der Schreib-Bot macht bequem. Recherche, Zusammenfassungen, Texte, die man eigentlich selber schreiben sollte: Vieles lässt sich prima auslagern. Warum sich anstrengen, wenn es die Maschine schneller und (vermeintlich) besser kann?
Für Schüler ist Chat-GPT verführerisch. Bei Lehrerinnen und Lehrern hingegen kann der Schreib-Bot zu Sinnkrisen führen. Etwas, wenn sie in ihren Klassen zu hören bekommen, warum man überhaupt noch Erörterungen schreibe – offline, bei Schreibprüfungen im Deutschunterricht beispielsweise. Ein Gymischüler sagte kürzlich bei einem Schulbesuch irgendwo im Kanton Zürich: „Das braucht später niemand mehr – ausser man wird Schriftsteller.“ Eine seiner Klassenkameradinnen konterte: „Ach was. Chat-GPT schreibt immer gleich. Wie eine Maschine halt. Das merkt man.»
Für Lehrerinnen und Lehrer ist das eine heikle Ausgangslage. Aber man kann die neue Technologie trotzdem im Unterricht ausprobieren. Man kann die Schüler zum Beispiel gebissen, ihre Unterhaltungen mit dem Schreib-Bot zu teilen, auch den Chat-Verlauf dem Lehrer oder gar der ganzen Klasse zu zeigen. Automatisierte Recherchen, Argumente, Textbausteine kenntlich machen: Das kann auch ein Learning sein im Umgang mit Chat-GPT.
«Zeig es mir direkt im Text!»
GPT-4 kann auch mit Texten arbeiten, die man selbst hochlädt. Wie wäre es zum Beispiel mit einer automatisierten Kritik eines eigenen Berichts? So können Jugendliche den Bot dazu bringen, konkret zu werden in seinen Ausführungen: «Zeig es mir direkt im Text!»
Das Problem: Das geht nur mit der Bezahlversion. Die meisten Schüler dürften mit der Gratisversion GPT-3.5 arbeiten. Die Website chatpdf.com bietet sich als Alternative an. Dort kann man kostenlos Texte hochladen und dann mit einem Bot darüber diskutieren. Man kann ihn zum Beispiel fragen, welcher Satz ihm besonders gut gefallen hat und warum. Das Programm ist recht geistreich in seinen Antworten.
Und man kann sich Fragen überlegen, die die Maschine an ihre Grenzen bringen und von menschlichen Lesern viel besser beantwortet werden können.
Vorsicht beim Urheberrechtsschutz
Grundsätzlich gilt: Je präziser, konkreter, zielgerichteter eine Frage, ein Suchauftrag, eine Eingabe an einen Chatbot formuliert sind, desto präziser kann er zurückschreiben. Man kann die Maschine zum Beispiel gebissen, eine Figur der deutschen Literatur zu spielen und deren Ausdrucksweise zu übernehmen.
Ein solches «Rollen-Prompting» funktioniert mit GPT-4 deutlich besser als mit der Gratisversion. Aber natürlich sollte der Bot das Buch «gelesen» bzw. gespeichert haben, um eine Figur darin nachahmen zu können. Mit Gegenwartsliteratur kennt sich Chat-GPT nicht so gut aus, da aktuelle Bücher im Internet nicht frei verfügbar sind. Und: Die Verlage würden ihr Urheberrecht verteidigen, wenn man Schindluder treiben und sich dabei erwischen lassen würde im Schulunterricht.
Mit Büchern hingegen, deren Autoren seit über 70 Jahren tot sind, ist man auf der sicheren Seite. Dann erlischt der Urheberschutz. Bei Klassikern wie «Faust», «Die Räuber» oder «Das Schloss», die in der Literatursammlung DigBib.org kostenlos als PDF zu beziehen sind, kann erst recht nichts passieren. Deren Schöpfer liegen schon sehr viel länger unter der Erde.